Schritt 1: „Darmstadt ist 99% kaputt“
– Alltagsschilderung inmitten von Bombenangriffen und Ruinen

Aufgabe 1

  1. Auf dem Foto ist die Stadt Darmstadt im Jahr 1944 zu sehen, die zuvor einen schweren Bombenanschlag erlebt hat. Umkreisen Sie die Elemente des Bildes, die Sie als auffällig/ bemerkenswert/ interessant empfinden.
  2. Begründen Sie Ihre Markierungen im Bild mittels der Textfelder, die Sie im Foto einfügen können.
  3. Bild: Stadtarchiv Darmstadt: Obere Rheinstraße Richtung Luisenplatz.
    Fotograf:in: unbekannt, Oktober 1944, Darmstadt Aus der Sammlung von Stadtarchiv Darmstadt.
    URL: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/brandnacht/#s30

  4. Lesen Sie nun den Textausschnitt (Briefe Lore Neffs an Margot) aus dem Roman „Unter der Drachenwand“ (S. 264-265; dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG; München; 2019).
  5. „Wie ich in der Lebenszeichenkarte schrieb, lebe ich, und unser Haus steht noch. Darmstadt ist 99 % kaputt. Licht, Gas, Wasser teilweise keins, werden von der Ortsgruppe verpflegt. Fünf meiner Geschwister die Häuser kaputt, auch Tante Emmas Haus, hoffentlich leben sie noch. Tante Liesel ist nichts passiert. Berti und Möschen total ausgebombt. Es gibt nur noch Alarm. Alles in der Siedlung ist geflüchtet. Luft, Kressers, Stegels und Frau Dösch nur bleiben. Heimstättenweg, Schule, Pulverhäuserweg, Forstweg: fast alles verbrannt. Würde sagen, komm heim, aber die Kasernen bei uns stehen noch, gut möglich, dass sie die noch kaputtwerfen wollen. Rheinstraße ist alles ein Trümmerhaufen, Postamt 2 zerstört, Bahnhof teilweise. Habe schon lange keine Post mehr von dir, der letzte Brief war der, in dem du von dem Unwetter schriebst. Es soll jetzt ein Postauto kommen und Post abholen. Hoffentlich bringt es bald etwas. Es gab unzählige Tote. Liebe Margot, bleibt Gott befohlen gesund, du und das Kind, ich will es auch bleiben. Es grüßt und küsst dich deine Mama. / Onkel Flor, Jokel, Ernst, Georg Hinz und Hinze Erlenfath alles verloren, Tante Gusti nur Scheiben.

    Der Himmel dröhnte, die Erde dröhnte, die Luft im Keller dröhnte. Es kam einem vor, als fielen Berge herunter. Ich dachte immer, die nächste Bombe ist für uns. Der Pfarrer sagt, durch den Luftdruck hätten die Orgelpfeifen getönt. / Bei uns im Keller haben sie zuerst durch Kartenspielen die Angst verdrängt, später sind sie auf den Knien gelegen. Und draußen in den Straßen die Menschen mit den umgehängten Decken sind um ihr Leben gelaufen. Alles ist verrußt und verraucht, es brennt im Hals und in den Augen, die „Sonne kommt nicht durch. Alles kaputt, alle Leitungen unterbrochen … alles!

    Seit zwei Tagen ist eine ganz andere Luft, eigenartig still und rußig und ohne ein einziges Kind auf der Straße. Helen und Helga sind noch nicht gefunden, so viele Tote sind verkohlt, nicht mal ob Mann oder Frau erkennt man. Onkel Flor hat schon viele angesehen. Ich hab dir ja schon geschrieben, dass Onkel Flor, Heinrich, Ernst, Jokel und Hinze Erlenfath ausgebombt sind. Wir haben nur Schaden an Dach und Fenster, man traut es sich gar nicht zu sagen. Vielleicht sind von deinen Kollegen auch umgekommen, ich sehe niemanden, weil ich kein Rad habe und nicht durch die Stadt gehen kann, gibt auch kein Licht, also keine Sirene, so dass man erfahren könnte, wenn die Flieger zurückkommen, ist kein Wasser und kein Gas. Hoffentlich ist’s bald rum. […]“

  1. Benennen Sie Ihre ersten Eindrücke von Lore Neffs Mitteilungen an Ihre Tochter Margot. Notieren Sie Stellen aus dem Text, die Ihnen beim ersten Lesen aufgefallen sind.
  2. Aufgabe 1d:
  3. Vergleichen Sie Lore Neffs Ausführungen mit dem Foto aus dem Jahr 1944, indem Sie Teile des Textes in die Textfelder einfügen und dazu passende Fotoelemente ausschneiden.
  4. Bild: Stadtarchiv Darmstadt: Obere Rheinstraße Richtung Luisenplatz.
    Fotograf:in: unbekannt, Oktober 1944, Darmstadt Aus der Sammlung von Stadtarchiv Darmstadt.
    URL: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/brandnacht/#s30

Schritt 2: „Ich dachte immer, die nächste Bombe ist für uns.“
– Lore Neffs Briefe als Einblick in ihre emotionale Situation

Aufgabe 2

  1. Hören Sie nun die Hörbuchfassung des Textausschnitts.
  2. Beschreiben Sie, welche Wirkung das Hören des Textes im Vergleich zum stillen Lesen auslöst. Warum kann es sinnvoll sein, einen Text laut zu lesen bzw. zu hören?
  3. Aufgabe 2b:
  4. Untersuchen Sie die sprachliche Gestaltung der Briefe von Lore an ihre Tochter Margot, indem Sie diese hinsichtlich der vorgegebenen Kriterien analysieren.
  5. Tipp
    Aufgabe 2c:

Schritt 3: „Wir sind eigentlich alle verdrahtet mit dieser Zeit“
– Der zweite Weltkrieg als Teil meiner Geschichte?

Aufgabe 3

  1. Deuten Sie vor dem Hintergrund Ihrer Untersuchung, inwiefern die sprachliche Gestaltung die emotionale Situation von Lore Neff verdeutlicht.
  2. Aufgabe 3a:
  3. Stellen Sie dar, wie die Leserin/ der Leser den Krieg im Roman miterlebt? Ordnen Sie dazu die Leserschaft auf der Skala an. Begründen Sie Ihre Anordnung unter dem Text.
  4. Aufgabe 3b:

    Gut, wir sind eigentlich alle kraft unserer Geburt verdrahtet mit dieser Zeit. Also ich bin Jahrgang 68 und klar ist das immer präsent, ist auch wichtig, dass es immer präsent ist. Das ist auch Teil unserer Geschichte, unserer biografischen Tiefe, aber gleichzeitig bin ich nicht involviert, bin nicht wirklich betroffen.

  5. Nehmen Sie Stellung zu Arno Geigers Zitat. Gilt seine Aussage auch für Sie?
  6. Aufgabe 3c:
  7. Fassen Sie auf der Grundlage Ihrer Untersuchungsergebnisse zusammen, welche Rolle den Briefen der Mutter Margots zukommt. Wozu dienen sie dem Leser/ der Leserin?
  8. Aufgabe 3d: